Worth watching: Remainder – Wie lebt es sich ohne Erinnerung?

Stell Dir vor, Du wachst eines Morgens auf und kannst Dich nicht mehr an Dein bisheriges Leben erinnern. Wem würdest Du vertrauen? Wie weiterleben? Würdest Du einen Neuanfang wagen oder versuchen die Erinnerung zurückzugewinnen? In Remainder, einer Adaption des gleichnamigen Kultromans von Tom McCarthy, entwirft Regisseur Omer Fast ein ästhetisch bestechendes und zugleich alptraumhaftes Szenario.

Tom Sturridge brilliert als Mann ohne Gedächtnis

Der namenlose Held, brilliant gespielt von Sienna Millers Boyfriend Tom Sturridge, verliert bei einem Unfall sein Gedächtnis. Eine Abfindung in Millionenhöhe nutzt er, um die schemenhafte Bilder, die ihm an sein altes Wohnhaus und einige Nachbarn geblieben sind, in einer Filmkulisse detailgetreu und mit kubrikschem Perfektionismus zu rekonstruieren. Doch das Unterfangen mündet in einer Obsession mit tragischem Ausgang.

Omer Fast spielt mit unserer Erinnerung

Mit bezwingender Intensität erzählt Omer Fast in „Remainder“ von dem verzweifelten Versuch, mit Hilfe der Erinnerung die Kontrolle über das eigene Leben zurückerlangen. Der Film, eine Versuchsanordnung, die beklemmend und faszinierend zugleich ist, zwingt uns dazu wie gebannt seinem surrealen Experiment zu folgen, mit dem er ganz nebenbei wichtigen Fragen nachgeht. Wie wichtig sind unsere Erinnerungen? Welchen Teil von uns machen sie aus? Wie viel tragen sie dazu bei, dass wir die Regie für unser Leben übernehmen können?

Wem vertraut man, wenn man keine Erinnerung mehr an sein bisheriges Leben hat? Foto: Omer Fast
Wem vertraut man, wenn man keine Erinnerung mehr an sein bisheriges Leben hat? Foto: Omer Fast

Es ist nicht das erste Mal, dass Omer Fast sich in seiner Arbeit mit dem Thema „Erinnerung“ auseinandersetzt, auch in seinem Film „Continuity“, der auf einer Videoarbeit des Künstlers beruht, beschäftigt er sich mit ähnlichen Fragen – allerdings legt er hier ein völlig anderes Ausgangsszenario zu Grunde. „Continuity“ handelt von der Geschichte eines Ehepaars, dessen tot geglaubter Sohn aus Afghanistan zurückkehrt. Doch der junge Soldat, den die Eltern im heimatlichen Kinderzimmer begrüßen, ist nicht der Sohn, vielmehr hat das Ehepaar einen Laiendarsteller engagiert, mit dem sie die Rückkehr des Kindes reinacten, ein verzweifelter Versuch, den Verlust zu verarbeiten und die Kontrolle über ihr aus den Fugen geratene Leben zurückzuerlangen.

Ein Leben ohne Erinnerung. Foto: Omer Fast
In „Remainder“ spielt Regisseur Omer Fast mit unserer Erinnerung. Tom Sturridge. Foto: Omer Fast

Beide Filme haben eins gemeinsam: Protagonisten die einschneidende Ereignisse überlebt haben und die versuchen sich mit eigenen Mitteln und in einer einzigartigen Sprache in einer Art „Do it yourself“ Therapie mit den Umständen auseinanderzusetzen, in der Hoffnung, Schicksalsschlägen, die sie nur schwer akzeptieren können, so etwas entgegenzusetzen.

Im Gegensatz zu Continuity aber ist Remainder eine Hochglanzproduktion, ein aufwändiger Thriller, dessen Finanzierung unter anderem mit der Hilfe von Kunstsammlern zustande kam, die im Vorfeld an den Film angelehnte Videoarbeiten erstanden und es Omer Fast dadurch ermöglichten, eine Vision auf die Leinwand zu bringen, die mit Hollywoodproduktionen durchaus mithalten kann.

Das Box in a suitcase Fazit: Omer Fasts Verfilmung des Mc Carthy Klassikers ist sehenswert!

Omer Fast: Der israelische Regisseur Omar Fast sorgte bisher vor allem als Videokünstler für Furore, mit seinen Arbeiten war er bereits auf der Biennale von Venedig und der Documenta vertreten. Seine ersten beiden Kinofilme „Remainder“ und „Continuity“ feierten 2016  auf der Berlinale Premiere.

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