BUDAPEST IM AUFSCHWUNG
Im Osten Europas, dort wo die Donau das ungarische Mittelgebirge verlässt, um in das Tiefland zu fließen, liegt Budapest. Aus den einstigen Dörfern Óbuda, Buda und Pest entstanden, schlängelt sich die Stadt direkt am Ufer des Flusses entlang. Seit dem Fall des eisernen Vorhangs, der die von einer kommunistischen Diktatur regierte Nation vom marktwirtschaftlich ausgerichteten, demokratischen Westen trennte, hat Budapest einen Aufschwung erlebt. Die Öffnung des Landes und des ungarischen Marktes zog einen wachsenden Tourismus nach sich. Neben den zahlreichen Markthallen, historischen Kaffeehäusern und Thermalbädern, sind es vor allem die handgemachten, rahmengenähten Budapester Schuhe, die der Stadt zu internationaler Bekanntheit verhalfen.
SCHUHMACHER MIT TRADITION
In unmittelbarer Nähe der Donau, auf Pest Seite der Stadt, liegen in der Haris köz, der Einkaufsstraße Budapests, die Schuhgeschäfte von Heinrich Dinkelacker, Sándor Rozsnyai und László Vass nebeneinander. Während Dinkelacker, ein deutsches Unternehmen, in den 60er Jahren von Bietigheim-Bissingen in die ungarische Hauptstadt zog, und nun hier produziert, verbergen sich hinter den Marken Vass und Rozsnyai Budapester Familienbetriebe, deren Gründer auf eine lange Tradition zurückblicken. László Vass, Schuhmacher seit mehr als vierzig Jahren, bezog hier bereits 1978 seinen ersten, nur 16 Quadratmeter großen Laden. Inzwischen hat Tochter Eva einen Steinwurf entfernt ihr zweites Geschäft eröffnet. Ein paar Meter weiter verkauft auch Sándor Rozsnyai, der an der Technischen Universität Budapest ein Studium zum Schuhtechnologieingenieur absolviert hat, den sogenannten Budapester, der erstmals im 19. Jahrhundert getragen wurde, und inzwischen ein echter Klassiker ist.
BUDAPESTER SCHUHE WERDEN IN DER GANZEN WELT GETRAGEN
Das Geschäft mit den Budapestern läuft gut. Vor allem Businessmänner legen immer mehr Wert auf hochwertiges Schuhwerk. Um die Budapester mit dem typisch osteuropäischen Fullbrogue-Lochmuster und den breiten, geraden Leisten zu kaufen, reisen viele Kunden extra aus dem Ausland an. Denn das handgefertigte Schuhwerk ist in Ungarn deutlich günstiger als im europäischen Umland oder in Asien. Für circa 400 Euro kann man hier ein Paar handgenähte Budapester erstehen. In Deutschland liegt der Preis bei bis zu 600 Euro, in Japan kosten die Schuhe sogar rund das Dreifache.
ECHTE BUDAPESTER SCHUHE ENTSTEHEN IN LIEBEVOLLER HANDARBEIT
Vass-Filialen soll es, trotz guter Nachfrage, in anderen Ländern vorerst dennoch nicht geben. Schließlich müssen die Arbeiter in der Manufaktur genügend Zeit haben, die circa 2.000 Paar Schuhe herzustellen, die bei Vass in der Haris köz pro Jahr verkauft werden. In den Schachteln, die sich hier bis unter die Decke stapeln, reihen sich nicht nur die bekannten Budapester, sondern auch handgemachte Oxford, Derby, Norweger, Altwiener, Wholecut und Italiener aneinander. Bei Extrawünschen wird Hand angelegt, der Fuß des Kunden vom Ballen bis zum Rist an fünf verschiedenen Stellen vermessen und ein Fußdokument angefertigt. Die meisten Käufer können ihre Schuhe allerdings gleich mitnehmen. Nur wer auf großem Fuß lebt, eine Maßanfertigung braucht oder ein Einzelpaar aus teurem Straußen- oder Kaimanleder fertigen lässt, muss sich in Geduld üben. Ein paar Wochen kann es dauern, bis ein Kunde seine maßgefertigten Schuhe erhält.
Was zwischen Bestellung und Lieferung der Budapester, hinter den verschlossenen Türen der Manufakturen, geschieht, wie aus hochwertigem Material in mehr als hundert Einzelschritten ein Schuh entsteht, der bis zu zehn Jahre hält und selbst dann noch repariert werden kann, bleibt für den Kunden unsichtbar. Kaum jemand denkt daher daran, welche Arbeit in einem handgefertigten Budapester steckt. Dabei, so pflegt László Vass zu sagen, wandert ein maßgefertigter Schuh durch so viele Hände, dass er eine Seele besitzt.
Es sind raue Hände, faltige Hände, durch die er wandert, Hände in ständiger Bewegung. Sie gehören zu 15 bis 25 Schuhmacher und Schuhmacherinnen, die in der 25 Minuten vom Stadtzentrum entfernt liegenden Manufaktur von László Vass arbeiten. Und über die Ihr hier mehr erfahren könnt …
Die Schuhmanufaktur Vass hat Frauke Schlieckau für das Inflight Magazin der Fluglinie Germanwings besucht.
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