Die kreativsten Hotels Europas: Im Wiener 1. Bezirk in fremde Haut schlüpfen

WOHNEN MIT FANTASIE

Wer im Internet eine Unterkunft im Wiener 1. Bezirk sucht, wird auf Webseiten wie airbnb.de möglicherweise auf eine Anzeige von Bella stoßen, die ihr Loft hinter dem Stephansdom vermietet. Die Fotos, die Bella auf ihre Seite gestellt hat, verraten viel über sie: Die ehemalige Stewardess liebt das Reisen und offensichtlich auch ihren Beruf. Eine Original-Flugzeugtür sowie Postkarten aus aller Welt zieren die Wände des großzügig geschnittenen Flurs, im Wohnzimmer leuchtet ein Globus. In ihrem Profil bezeichnet sich die Wienerin als offen und kommunikativ.

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Bellas Loft. Foto: Chez Clichy

WOHNUNGEN MIT PERSÖNLICHKEIT

Wer Bellas Wohnung bucht, kann damit rechnen, von ihr mit Geheimtipps von Restaurants versorgt zu werden. Erst im Verlauf der Korrespondenz, manchmal sogar erst bei der Anreise, wird dem Gast klar: Bella gibt es überhaupt nicht. Sie ist die Erfindung von Claudia Diwisch und Gerald Tomez. Der Modedesigner und die Fotojournalistin vermieten in drei Wiener Bezirken acht Apartments mit Geschichte: Jede der Wohnungen gehört zu einem fiktiven Besitzer, den sie mit einer erfundenen Biografie ausgestattet haben, wie beispielsweise der Theaterkritiker Koloman, die Musikerin Marie Therese, der Vinyl-Liebhaber Beat. Sie alle sind Typen, die es genauso in Wien gibt – oder zumindest geben könnte.

EIN PROJEKT AUS LEIDENSCHAFT

Die Leidenschaft für Innenarchitektur, Fotografie und Ästhetik hat Diwisch und Tomez zusammengeführt und dazu gebracht, das Konzept Chez Cliché ins Leben zu rufen. Ihre Begeisterung zeigt sich in den Apartments, die sie in mühevoller Kleinarbeit eingerichtet und personalisiert haben. Ihr Ziel: Besucher sollen sich zu Gast bei Wienern fühlen und trotzdem einen gewissen Service und Sicherheit geboten bekommen, die bei normaler Untervermietung oft fehlt. Neugierige können dort einmal ganz erlaubt im Leben von Fremden stöbern oder sich sogar die Identität ihres Gastgebers überstreifen.

BEI CHEZ CLICHÉ BEKOMMT DER GAST ZU JEDER WOHNUNG EINE GESCHICHTE

Als sie Chez Cliché entwickelten, stand für Diwisch und Tomez der kreative Aspekt im Vordergrund. Bis zur erfolgreichen Umsetzung galt es aber erst einmal, zahlreiche Hürden zu nehmen. Denn im doch eher konservativen Wien konnte man sich das Konzept ohne Beispielwohnung einfach nicht vorstellen. Hausbesitzer ließen sich erst nach und nach darauf ein, Wohnungen für das Projekt zu vermieten. Dass sich die Überzeugungsarbeit gelohnt hat, zeigt sich für die beiden vor allem in der Reaktion der Gäste. Diese putzen vor Abreise die Wohnung von Koloman oder bringen bei Bella den Müll weg, so als wären sie tatsächlich bei anderen Leuten zu Gast. Nicht selten hinterlassen sie Nachrichten für die erfundenen Bewohner. Wir von BOX IN A SUITCASE bedauern ein wenig, dass es Beat, Koloman & Co in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Das Chez Clichy  habe ich als Autorin für das Inflight Magazin der Fluglinie Germanwings besucht.

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